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Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen[1] (* um 1622 in Gelnhausen; † 17. August 1676 in Renchen) war ein deutscher Schriftsteller, der sich in seinen Werken häufig als Anagramm des Ich-Erzählers verewigte: „Melchior Sternfels von Fuchshaim“, „Simon Leugfrisch von Hartenfels“, „Michael Rechulin von Sehmsdorff“, „Samuel Greifnson von Hirschfeld“, „German Schleifheim von Sulsfort“, „Israel Fromschmidt von Hugenfelß“, „Erich Stainfels von Grufensholm“, „Philarchus Grossus von Trommenheim“.
Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen stammte aus einer verarmten Adelsfamilie, die aus dem thüringischen Dorf Grimmelshausen an der Werra kam und sich im 16. Jahrhundert in Gelnhausen angesiedelt hatte. Gelnhausen war damals eine protestantische Freie Reichsstadt im Kinzigtal im heutigen Bundesland Hessen, war vom Reich aber je zur ideellen Hälfte an die Kurpfalz und die Grafschaft Hanau-Münzenbergverpfändet. Grimmelshausens Großvater, ein Bäcker und Gastwirt, legte seinen Adelstitel 1592 ab.
Für Christoffels erste zwanzig Lebensjahre gibt es keine eindeutigen dokumentarischen Belege. Sein Vater Johann Christoph starb, als Christoffel vier oder fünf Jahre alt war. Die Witwe heiratete bald darauf nochmals und zog zu ihrem zweiten Ehemann nach Frankfurt am Main. Ihr Sohn blieb in Gelnhausen zurück, wuchs bei seinem Großvater auf und besuchte die örtliche Lateinschule. Im September 1634 erreichte der Dreißigjährige Krieg (1618–1648) die Stadt. Sie wurde von den kaiserlichen Truppen der römisch-katholischen Partei eingenommen und verwüstet, das gleiche wiederholte sich im Januar 1635. Ein Großteil der Einwohner, darunter sehr wahrscheinlich auch Grimmelshausen, floh in die nahe gelegene Festung Hanau, die von General Jakob von Ramsay und schwedisch-lutherischem Militär gehalten wurde.
Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass Grimmelshausen im Sommer 1631 als Trossjunge an der Belagerung Magdeburgsbeteiligt war und 1637 in Westfalen einem kaiserlichen Dragonerregiment angehörte, wegen seiner Jugend aber noch nicht als regulärer Soldat. 1639, nun 17 oder 18 Jahre alt, war er aktiver Kämpfer im Regiment des kaiserlichen Obristen Hans Reinhard von Schauenburg. Dort stieg er zum Schreiber in der Regimentskanzlei auf, seit 1644 gibt es Schriftstücke von seiner Hand. 1648 diente er als Kanzleisekretär im Regiment des Obristen Johann Burkard von Elter in Wasserburg am Inn. Im Juli 1649 beendete er in Vilshofen in der Oberpfalz seinen Kriegsdienst.
Offenbar um diese Zeit trat Grimmelshausen zum katholischen Glauben über, jedenfalls wurde seine Heirat am 30. August 1649 in Offenburg nach katholischem Ritus vollzogen. Die Braut hieß Catharina Henninger und war die Tochter eines Regimentswachtmeisters. In der Heiratsurkunde fand das vom Großvater abgelegte Adelsprädikat „von“ in Verbindung mit „Grimmelshausen“ wieder Verwendung. Nach der Hochzeit zogen beide nach Gaisbach im Renchtal – heute ein Ortsteil von Oberkirch in Baden-Württemberg – wo Grimmelshausen von 1649 bis 1661 als Guts- und Burgverwalter („Schaffner“) der Grafen von Schauenburg arbeitete. In seine Zeit dort fällt der Ausbau von Schloss Gaisbach, für den Steine der Burg Schauenburg genutzt wurden.[2] Zusätzlich betrieb er von 1656 bis 1658 im Schaffnerhaus in Gaisbach die Gastwirtschaft „Zum Silbernen Stern“. Von 1662 bis 1665 war er Burgvogt auf der benachbarten Ullenburg, die sich im Besitz des Straßburger Arztes Johannes Küffer d. J. (1614–1675) befand. Nach einem weiteren Versuch als Gastwirt trat er 1667 als Schultheiß von Renchen in den Dienst des Fürstbischofs von Straßburg, Franz Egon von Fürstenberg, zu dessen Territorium diese Gemeinde gehörte. Damit war er für die Niedere Gerichtsbarkeit vor Ort zuständig, für das Eintreiben von Steuern und Abgaben und für das Einhalten der öffentlichen Ordnung.
1673 eröffnete der französische König Ludwig XIV., unterstützt von Grimmelshausens Dienstherrn, dem Bischof von Straßburg, im niederländisch-französischen Krieg am Oberrhein einen neuen Kriegsschauplatz gegen die kaiserlichen Truppen. Von den schweren Belastungen für Land und Leute waren auch Renchen und seine Umgebung betroffen. Grimmelshausen leistete offenbar noch einmal Kriegsdienst. Über seinen Tod am 17. August 1676 ist im Renchener Kirchenbuch vermerkt: „Es verstarb im Herrn der ehrbare Johannes Christophorus von Grimmelshausen, ein Mann von großem Geist und hoher Bildung, Schultheißdieses Ortes, und obgleich er wegen der Kriegswirren Militärdienst leistete und seine Kinder in alle Richtungen verstreut waren, kamen aus diesem Anlass doch alle hier zusammen, und so starb der Vater, vom Sakrament der Eucharistie fromm gestärkt, und wurde begraben. Möge seine Seele in heiligem Frieden ruhen.“[3] Grimmelshausens Frau Catharina, mit der er zehn Kinder hatte, starb am 23. März 1683.
Ungeklärt bleibt, wann genau Grimmelshausen seine Tätigkeit als Schriftsteller begann. Einen Hinweis liefert die Tatsache, dass alle Werke Grimmelshausens in seinen letzten zehn Lebensjahren erschienen, also seit 1666. Zahlreiche Schriftstücke, die er als Regimentsschreiber und als Burgverwalter anfertigte, sind erhalten, jedoch weder Manuskripte noch Tagebücher oder Briefe über seine schriftstellerischen Aktivitäten oder sein Privatleben. Mit nur drei Ausnahmen brachte er seine Bücher unter Pseudonymen heraus. Dabei verwendete er mit Vorliebe Anagramme, die er aus seinem Namen bildete, verkürzt um die Bestandteile „Hans“ und „Jakob“: „Melchior Sternfels von Fuchshaim“, „Simon Leugfrisch von Hartenfels“, „Michael Rechulin von Sehmsdorff“, „Samuel Greifnson von Hirschfeld“, „German Schleifheim von Sulsfort“, „Israel Fromschmidt von Hugenfelß“, „Erich Stainfels von Grufensholm“, „Philarchus Grossus von Trommenheim“. Erst 1837, gut 150 Jahre nach Grimmelshausens Tod, gelang es Hermann Kurz, diese anagrammatischen Pseudonyme aufzulösen und auf den realen Autor Grimmelshausen zurückzuführen. Insbesondere für die Rezeptionsgeschichte der Werke Grimmelshausens ist es daher von Bedeutung, dass sich die Werkeinheit unter dem Autornamen Grimmelshausen erst einer nachträglichen „Dechiffrierung“ verdankt. Dem zeitgenössischen Blick bietet sich demgegenüber lediglich eine heterogene Menge pseudonym veröffentlichter Schriften, die durch fiktive Autorschaftsentwürfe miteinander verbunden sind.[4]
Grimmelshausens Hauptwerk Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch, erschienen 1668/69, ist ein barocker Roman von vitaler Vielseitigkeit. Der Autor zeichnet hier ein detailreiches Bild des Dreißigjährigen Krieges sowie der verwilderten deutschen Gesellschaft nach dem Krieg. Frühere Vertreter von Literaturkritik und -wissenschaft sahen die Bedeutung des Werkes entweder in der Schilderung persönlicher Erlebnisse oder in der „Fülle echter Stimmung“. Derartige Bewertungen ließen außer Acht, dass Grimmelshausen spielerisch Versatzstücke aus der klassischen Literatur der Antike sowie aus der Gattung des spanischen und französischen Schelmenromans[5] nutzte; Mateo Alemáns Guzmán de Alfarache (deutsch 1615) und Charles Sorels Francion (deutsch 1662) sind hier besonders zu nennen. Außerdem hat der überaus belesene Autor eine erstaunlich große Anzahl weiterer Vorlagen aus unterschiedlichen Wissensgebieten seiner Epoche in seinem vielschichtigen Roman verarbeitet.
Auffällig ist der Gegensatz zwischen der Friedenssehnsucht des Helden – sie wird schon in der Bildunterschrift des Titelkupfers angesprochen und bildet ein Leitmotiv des ganzen Romans – und dem blutigen Soldatenleben und wilden Abenteurertum, in das Simplex entweder durch äußeres Verhängnis oder durch eigenes Zutun gerät. Zwischen Grimmelshausen und seiner Hauptfigur gibt es nachweisbar einige biografische Parallelen,[6] aber keine völlige Übereinstimmung. Selbst eindringliche Kampfszenen lassen sich oft als Lesefrüchte des Autors auf ihre literarischen Quellen zurückführen. Gelehrte Exkurse und derbkomische Szenen, Belehrung und Unterhaltung wechseln einander ab, im jeweils dazu passenden Sprachgestus. Häufig werden bittere Wahrheiten in kurzweilig satirischer Form präsentiert. Nicht zuletzt aber ist der Roman ein allegorischer, der gemäß einer noch im 17. Jahrhundert weit verbreiteten Erzählweise „hinter“ bzw. „über“ der Vordergrundhandlung weitere, mehr oder weniger schwer zu erschließende Sinn-Ebenen enthält.
Nach den Ausgaben des „Simplicissimus Teutsch“ im Barock folgten neue, sorgfältig auf das Original bezogene Ausgaben erst wieder im 19. Jahrhundert:
Die erste Ausgabe des Simplicissimus Teutsch enthielt nur die Bücher eins bis fünf, seit 1669 gehört dazu beständig als sechstes Buch eine Fortsetzung (Continuatio). Bis 1675 folgten vier weitere Bücher, in denen Episoden aus dem Leben des Simplicissimus kommentiert, korrigiert oder in ein anderes Licht gesetzt werden. Unbekannt ist, ob Grimmelshausen diese Werke von vornherein als Zyklus geplant hatte. Zumindest nachträglich verstand er sie so und erklärte dazu in der Vorrede zum zehnten und letzten Buch, dass „alles von diesen Simplicianischen Schriften aneinander hängt / und weder der gantze Simplicissimus, noch eines [der Teile] allein ohne solche Zusammenfügung genugsam verstanden werden mag.“
Der Simplicianische Zyklus besteht aus folgenden Werken:
Zum Gesamtwerk Grimmelshausens gehören außerdem volkstümliche Schriften satirischen Charakters:
Dazu kommen einige breit angelegte galante Kunstromane im Stil seiner Zeit:
Der Simplicianische Zyklus
Der abentheuerliche Simplicissimus Teutsch (Buch 1-6) | Trutz Simplex oder Ausführliche und
wunderseltzame Lebensbeschreibung der Ertzbetrügerin und Landstörtzerin Courasche (Buch 7) | Der seltzame Springinsfeld(Buch 8) | Das wunderbarliche Vogel-Nest (Buch 9) | Deß wunderbarlichen Vogelnests zweiter
Theil (Buch 10)
Volkstümliche Schriften
Schwarz und weiß oder die Satirische Pilgerin | Der teutsche Michel | Das Rathstübel Plutonis | Die verkehrte Welt
Kunstromane
Des vortrefflichen keuschen Josephs in Ägypten erbauliche Lebensbeschreibung | Dietwalds und Amelindens anmutige Lieb- und Leidsbeschreibung | Des durchlauchtigen
Prinzen Proximi und seiner ohnvergleichlichen Lympidä Liebesgeschichterzählung