Zeitgeschehen


Bonn02.09.2019

Die Waffen der finanziellen Repression werden immer schärfer


Lieber Leser,

unter einer finanziellen Repression versteht man all jene Maßnahmen, die dazu führen, dass dem Staat mittels eines Zwangs Gelder zufließen, die er in einem freien Markt nicht oder zumindest nicht zu diesen günstigen Konditionen erhalten würde. Die derzeit bekannteste Form der finanziellen Repression ist die Beschränkung der Höchstsätze für die zu zahlenden Zinsen. Hier agiert der Staat nicht unmittelbar über seine Gesetzgebungsvollmacht, sondern lässt die Notenbanken für sich arbeiten. Weniger im aktuellen Bewusstsein verankert sind derzeit Kapitalverkehrskontrollen, Zwangsanleihen wie der nach dem 2. Weltkrieg in Westdeutschland durchgeführte Lastenausgleich oder die erzwungene direkte Kreditvergabe von Versicherungen und Pensionskassen direkt an den Staat. Auch das von vielen Goldbugs gefürchtete Goldverbot gehört zu den Maßnahmen, die im Rahmen einer finanziellen Repression zum Einsatz kommen können. Manche Experten zählen aber auch die Anlagerichtlinien zu dieser Gruppe. Sie schreiben Banken und Versicherungen vor, wie sie ihr Geld „mündelsicher“ anlegen müssen. Während das Gold und die anderen Edelmetalle, aber auch die Aktien verteufelt werden, gelten Staatsanleihen auch solche aus Griechenland und Venezuela als „sicher“, weil der Staat als Schuldner angeblich nicht ausfallen kann. Viele Maßnahmen ein Ziel Die gewählten Mittel und Wege sind verschieden. Das Ziel ist aber immer das gleiche. Es gilt, den Staat vor einem vorzeitigen Staatsbankrott zu schützen und den eigentlich unvermeidlichen Offenbarungseid mit vielen Tricks doch noch irgendwie auf den Sankt Nimmerleinstag zu verschieben. Als Anleger sollte man bei allem verständlichen Ärger über die Maßnahmen der finanziellen Repression vor allem eines nicht tun: Man sollte den Erfindungsreichtum des Staates und seiner zahlreichen Helfershelfer in Notenbanken und Universitäten nicht unterschätzen. Wer hätte vor zwanzig Jahren bei der Einführung des Euros, der uns damals als eine stabile Währung versprochen wurde, gedacht, dass wir nach nur 19 Jahren die heutige Situation vorfinden werden? Die neue Währung hat gegenüber dem Gold zwei Drittel ihres Wertes verloren und mehr als 80 Prozent aller deutschen Staatsanleihen weisen mittlerweile eine negative Rendite auf. Dieser absurde Zustand, der uns zunächst als kurzfristige Krisenmaßnahme für den Notstand angekündigt wurde, hält nun bereits acht Jahre an und es gibt nicht viel, was derzeit auf ein baldiges Ende dieses unnatürlichen Zustands hinweisen würde. Kleine Zahlen große Wirkung In Deutschland sind die Auswirkungen der immer stärker werdenden finanziellen Repression besonders gravierend, denn die Mehrheit der Bevölkerung spart nicht in Aktien, Gold oder Immobilien, sondern in klassischen Geldwerten wie Sparbüchern, Bausparverträgen und Lebensversicherungen. Bei all diesen Sparformen hat der Anleger in normalen Zeiten mit dem Zinseszinseffekt einen mächtigen Mitstreiter an seiner Seite. Wie gravierend der Effekt wirken kann und wie schädlich sich sein Fehlen derzeit für die deutschen Sparer darstellt, zeigt eine einfache Rechnung: Legt man eine Summe von 50.000 Euro zu einem Zinssatz von nur einem Prozent für zehn Jahre an, erhöht sich die Summe nominal am Ende der Sparzeit auf gut 55.000 Euro. Liegt der Zinssatz jedoch bei drei Prozent steigt das angesparte Kapital am Ende der Laufzeit bereits auf 67.000 Euro. Vertreter der deutschen Versicherungswirtschaft haben unlängst vorgerechnet wie viel Geld die Deutschen durch die anhaltend niedrigen Zinsen gerade verlieren. Ein Sparer, der über 30 Jahre hinweg Jahr für Jahr 1.200 Euro für seine Altersvorsorge auf die hohe Kante legt, könnte bei einem Zinssatze von vier Prozent auf eine Summe von 67.000 Euro zurückgreifen. Bei den aktuellen Zinsen von maximal 0,0 Prozent kommen hingegen nur 36.000 Euro zusammen. Bei negativen Zinssätzen sieht die Rechnung für die Sparer noch unerfreulicher aus. Aber wer sagt uns eigentlich, dass die negativen Zinsen immer so hoch bleiben werden wie sie aktuell sind? Als der Euro 1999 kam, konnten sich die meisten Deutschen negative Zinsen nicht vorstellen – gekommen sind sie trotzdem. Heute haben die meisten Anleger Probleme sich vorzustellen, dass die Zinssätze für Geldanlagen aller Art auf minus vier oder minus fünf Prozent sinken könnten. Diese unbestreitbare Beobachtung aus der Geschichte sollte uns für die Zukunft vorsichtig werden lassen. In der Not frisst der Teufel bekanntlich Fliegen und hat der Staat keine Skrupel selbst zu den absurdesten Mitteln zu greifen. Ein Anleger, der dies übersieht, könnte eines Tages recht unsanft aus seiner Naivität erwachen. Ihr

Dr. Bernd Heim