News (05. September 2019)
Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing auf offener Bühne des Falsch-Lamentos überführt: War das gesterneigentlich der "HB"-Banken-Gipfel? Oder der "EZB"-Bashing-Gipfel? Musste man
sich zumindest beim Sewing-Auftritt fragen. Dem hatte sein Redenschreiber nämlich gleich ein ganzes Füllhorn EZB-kritischer Sätze ("Diese Zinspolitik belastet unsere Branche enorm", "Allein uns
als Deutsche Bank kosten die negativen Einlagenzinsen einen dreistelligen Millionenbetrag in diesem Jahr" etc. pp.) ins Manuskript gepinselt. Doch dann, urplötzlich, sagte Sewing einen Satz, mit
dem er alle anderen Sätze fast schon konterkarierte. Und das Verblüffendste: Ausgerechnet dieser eine, fast schon EZB-freundliche Satz kommt der Wahrheit am nächsten, wie eine kleine
Ad-hoc-Analyse unter dem Arbeitstitel "Die Folgen der niedrigen Zinsen für Deutsche Bank, Sparkassen, Genobanken und sonstige Institute vor dem Hintergrund des gestrigen Sewing-Auftritts" zeigt:
Finanz-Szene- Artikel siehe unten.
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Zinsüberschuss in Mrd. €
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Zinsmarge in %
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2008
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11,4
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1,02
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2013
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12,8
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1,31
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2018
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12,7
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1,33
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Quelle: Geschäftsberichte
Was vergessen? Ach ja, die Halbjahrszahlen 2019 sind ja auch schon da. Und da ging es mit dem Zinsüberschuss verglichen mit der identischen Vorjahresperiode um leckere 6% nach oben.
Irgendwelche Fußnoten? Ja, zwei: Natürlich beeinflussen viele Dinge die Zinsmarge, nicht nur die Höhe der Kapitalmarktzinsen. Und: es handelt sich jeweils um den Zinsüberschuss nach Risikovorsorge. Mag sein, dass die EZB-Basher lieber mit dem Zinsüberschuss vor Risikovorsorge
argumentieren. Allerdings wüssten wir nicht, warum dieser Ansatz in irgendeiner Weise adäquater sein sollte.
Nun wollen wir nicht so tun, als wären die niedrigen Zinsen ein Segen für die deutsche Bankenindustrie. Klar: steigen die Zinsen in der Breite, treibt das perspektivisch die Gewinne.
Die Rolle des Zins-Stöhners allerdings verkörpert der Sparkassen-Chef Schleweis im Zweifel viel glaubhafter, als dies der Deutsche-Bank-Chef Sewing tut. Schließlich leider die Sparkassen und mit
ihnen die Volksbanken ja tatsächlich unter den niedrigen Zinsen. Denn: Sie refinanzieren sich größtenteils über Einlagen. Und da ist – jedenfalls bislang – bei Null Schluss bei Privatkunden.
Wer hingegen wie die Deutsche Bank im großen Stil den Kapitalmarkt anzapft (und via Kampagnen wie dem „Zugreifzins“ Einlagen sucht und nicht etwa
loswerden will); wer also „Zugang zu billigem Geld hat“, um mit Christian Sewing zu sprechen, dem kann es passieren, dass er momentan wider alle Intuition zu den „potenziellen Gewinnern“
gehört.
(Exkurs: War die Aussicht auf (noch günstigere) Refinanzierungskosten nicht einer der wichtigsten Gründe, warum die Deutsche Bank vor ein paar Monaten überhaupt überlegt hat, mit der Coba zu
fusionieren? Oder ist das jetzt Geschichtsklitterung?)
Dass es die „potenziellen Gewinner“ jedenfalls gibt, das belegt eine aktuelle Berenberg-Analyse zur Deutschen Pfandbriefbank. Darin steht, der Trend fallender Margen habe sich im zweiten
Quartal „komplett gedreht“. Folge (zumal parallel die Volumina wachsen): Aufs Gesamtjahr wird der Zinsüberschuss der PBB endlich wieder steigen, glaubt Berenberg.
Eine Momentaufnahme? Mitnichten. Schon seit Jahren reagieren Banken bzw. Bankengruppen sehr unterschiedlich auf das Zinsumfeld, wie eine Betrachtung der Jahre 2013 bis 2017 auf Basis von
Bundesbank-Daten zeigt (die 2018er-Zahlen liegen noch nicht vor).
Dass die Zinsentwicklung die Banken ganz unterschiedlich „trifft“, lässt sich mit einer simplen Betrachtung der Zinsmargen in den Jahren seit Einführung der Strafzinsen auf Einlagen (2014)
sowie der ersten massiven Anleihenaufkäufe (2015) beobachten:
Zinsmargen von Großbanken, Sparkassen und Genobanken 2013-2017in Prozent:
Quelle: Bundesbank
Man sieht:
- Die Zinsmargen von Sparkassen und Volksbanken fielen
kontinuierlich – wiewohl ausgehend von einem seeehr kommoden Niveau.
- Die Zinsmargen der Großbanken dagegen waren 2017
ähnlich hoch wie 2013, auch wenn die Spannen hier traditionell deutlich kleiner sind und die Großbanken natürlich auch voluminöse Bilanzen haben.
Die Musterlösung? Hätten wir einen Leitkommentar für eine Banker-Postille zu schreiben, würden wir jetzt fordern: „Refikosten runter! Und zugleich die EZB-Strafzinsen bitte streichen!“
So ähnlich hat es Christian Sewing übrigens gestern formuliert:
„Langfristig ruinieren diese Niedrigzinsen das Finanzsystem. Einzelne Nachbesserungen wie ein so genanntes Tiering-System sind notwendig, um die negativen Konsequenzen abzumildern“