Zeitgeschehen

Geplante Obsoleszenz: „Man kann genau berechnen, wie lange ein Gerät läuft“

 | Autor / Redakteur: Dr. Anna-Lena Gutberlet / Dr. Anna-Lena Gutberlet

Ist die Lebensdauer unserer Produkte programmiert? Ja, definitiv. Ob die Haltbarkeit jedoch absichtlich verkürzt wird, kann auch die 2016 veröffentliche Studie des Umwelt Bundesamts nicht beantworten – wir sprachen mit Kritikern der Studie, Elektrogeräteherstellern und Elektronik-Verbänden.

 

Elektrogeräte werden immer kürzer genutzt. So entsteht jährlich eine große Menge Elektroschrott: im Jahr 2014 waren es in Deutschland rund 1,8 Millionen Tonnen, das entspricht 21,6 kg pro Bürger. Im Rahmen der vom Umweltbundesamt in Auftrag gegebenen Studie, die das Austauschverhalten der Verbraucher bezüglich verschiedener Elektro-/Elektronikgeräte untersucht wurden, konnte die geplante Obsoleszenz nicht nachweisen. Das Ergebnis sowie die Studie an sich sind jedoch umstritten und werden heftig diskutiert.

 

Aus Sicht des Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. (ZVEI) ist das Ergebnis, dass die geplante Obsoleszenz nicht nachgewiesen werden konnte, nicht überraschend, denn: „Der Markennamen ist das höchste Gut eines Herstellers. Zufriedene Kunden bleiben markentreu“, erklärt Werner Scholz, Geschäftsführer der Fachverbände Elektro-Haushalts-Großgeräte, Elektro-Haushalts-Kleingeräte sowie Elektro-Hauswärmetechnik beim ZVEI. Dieser Meinung ist auch Bitkom: „Unternehmen, die ihre Kunden begeistern und dauerhaft an sich binden wollen, tun alles, um zu verhindern, dass ihre Geräte vorzeitige Defekte zeigen.“

 

Christian Kreiß, Professor für Finanzierung und Wirtschaftspolitik der Hochschule Aachen und Autor des Buchs „Geplanter Verschleiß“, hat einen anderen Blick auf die Dinge. Er stellt sich die Frage: Was wäre, wenn die Lebensdauer der Produkte nur geringfügig verkürzt würde? Wer kann schon genau sagen, ob der Handmixer oder elektrische Rasierer vor neun oder zehn Jahren gekauft wurde?

 

Laut Kreiß ist das Phänomen „Geplanter Verschleiß“ tief in unserem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem verankert. Es sei „...nur eine Spielart von vielen, wie Großkonzerne vorgehen, um im Dienste der Gewinnmaximierung den Verbraucher zu übervorteilen.“ In seinem Buch spricht er von „versteckter Produktverschlechterung“, was einer verdeckten Preiserhöhung durch Qualitätsminderung gleich kommt. Wichtig ist dabei, dass die Verkürzung der Lebensdauer so gering ist, dass sie unter der Wahrnehmungsschwelle der Käufer bleibt: „Die Strategie der heimlichen allmählichen Qualitätsverschlechterung wird von Wettbewerbsmärkten normalerweise in Form niedrigerer Kosten, steigender Umsätze und damit steigender Gewinne belohnt statt durch Kundenabwanderung bestraft.“ Da der Verbraucher nicht weiß, ob der Konkurrent besser ist, wandert er normalerweise auch nicht ab.

 

Laut Kreiß ist das Phänomen „Geplanter Verschleiß“ tief in unserem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem verankert. Es sei „...nur eine Spielart von vielen, wie Großkonzerne vorgehen, um im Dienste der Gewinnmaximierung den Verbraucher zu übervorteilen.“ In seinem Buch spricht er von „versteckter Produktverschlechterung“, was einer verdeckten Preiserhöhung durch Qualitätsminderung gleich kommt. Wichtig ist dabei, dass die Verkürzung der Lebensdauer so gering ist, dass sie unter der Wahrnehmungsschwelle der Käufer bleibt: „Die Strategie der heimlichen allmählichen Qualitätsverschlechterung wird von Wettbewerbsmärkten normalerweise in Form niedrigerer Kosten, steigender Umsätze und damit steigender Gewinne belohnt statt durch Kundenabwanderung bestraft.“ Da der Verbraucher nicht weiß, ob der Konkurrent besser ist, wandert er normalerweise auch nicht ab.

 

Auch Edbill Grote, Geschäftsführer des Testhauses HTV und Entwickler des HTV-Life-Prüfzeichens ist überzeugt davon, dass es viele Hersteller gibt, die absichtlich Schwachstellen in ihre Geräte einbauen. Seiner Meinung nach kommt geplante Obsoleszenz heutzutage viel zu oft vor: „Man kann zum Teil auf den Tag genau berechnen, wie lange ein Gerät hält, wenn es am Tag eine bestimmte Anzahl von Stunden läuft.“

 

Hersteller kalkulieren mit einer bestimmten Produktlebensdauer.

 

In der aktuellen Studie konnte eine gezielte kurze Produktlebensdauer, die die Hersteller mittels eingebauter Mängel erzeugen allerdings nicht nachgewiesen werden. Es heißt: „Vielmehr kalkulieren Hersteller mit einer bestimmten Produktlebensdauer, die sich auch nach Zielgruppe, Einsatzbereich und Produktzyklen richtet.“

„Kein Konsumgüterprodukt wird so konstruiert, dass es so lange wie möglich hält, sondern so lange wie es die Kunden erwarten“, erklärt Werner Scholz. „Der Hersteller schaut sich die Erwartungshaltung des Verbrauchers, also seiner Zielgruppe, an. Bei großen Hausgeräten ist diese Erwartung hoch, deswegen liegt die durchschnittliche Erstnutzungsdauer auch zwischen 12 und 15 Jahren. Natürlich könnten die Hersteller noch höhere Anforderungen an ihre Produkte stellen, die Kosten für ein Gerät würden dadurch aber höher. Das ginge jedoch an der Kundenerwartung und der tatsächlichen Nutzung vorbei. Schon heute werden ein Drittel aller Hausgeräte ausgetauscht, obwohl sie noch perfekt funktionieren.“

Also ist es theoretisch möglich, durch qualitativ hochwertige, teurere Komponenten und ausgiebigere Tests die Lebensdauer eines Computers oder Smartphones zu verlängern. Seitens der Hersteller wird jedoch darauf verzichtet, da die Verbraucher darauf angeblich keinen Wert legen. Eine Auslegung, die auch Stefan Schridde, Initiator von Murks? Nein Danke!, einer bürgerschaftlichen Verbraucherschutzorganisation und gleichzeitig Onlineportal für nachhaltige Produktqualität und gegen geplante Obsoleszenz, stark kritisiert.

Natürlich gibt es Verbraucher, die ihr Smartphone vor dem Ende der Lebensdauer austauschen, aber es gibt auch Konsumenten, die gerne ein funktionierendes, gebrauchtes Gerät auf eBay usw. erstehen. Das Interesse an langlebigen Geräten ist auf der Verbraucherseite demnach vorhanden.

Die UBA-Studie ergab, dass viele Geräte ersetzt wurden, obwohl keine Defekte vorlagen (1/3 bei Haushaltsgroßgeräten und circa 50 % bei TV-Geräten und Notebooks) und auch, dass ein großer Anteil der Geräte ersetzt und entsorgt wurde, bevor die Geräte die durchschnittliche Erst-Nutzungsdauer (in Abhängigkeit der Produktgruppe) oder das Alter von fünf Jahren erreicht hatte. Insgesamt hat die Erst-Nutzungsdauer in den meisten untersuchten Produktgruppen in den letzten Jahren abgenommen.

Ein Grund für den vorzeitigen Austausch der Geräte sind laut Studienergebnissen sowie Statements der Verbände und Hersteller Innovationen. Gerade im Bereich der Informationstechnologie und Telekommunikation (ITK) sind die Innovationszyklen deutlich kürzer als anderswo. Die Verbraucher tauschen ihre alten Konsumgüter gegen ein besseres, innovativeres Gerät.

Das Veralten von Produkten durch technischen Fortschritt fällt nicht unter den Begriff geplante Obsoleszenz. Laut Christian Kreiß heißt das aber nicht, dass die Nutzungsobsoleszenz nicht auch im Sinne von geplanter Obsoleszenz ausgenutzt werden könnte (Stichwort psychologische Obsoleszenz). „Für ein Unternehmen ist es einfach, Modellzyklen so zu gestalten, dass der Endverbraucher häufiger zur Kasse gebeten wird, als nötig. Neuerungen können absichtlich zurückgehalten werden, um sie einem ‚neuen‘ Produkt einzuführen“ (Stichwort Technologierückhalt).

 

In der Studie nicht berücksichtigt, aber sicherlich mit ausschlaggebend: das Kaufverhalten. Dieses hat sich in den letzten Jahren generell geändert; dank Online-Shops und 0%-Finanzierungen sind die Hürden für eine Neuanschaffung drastisch gesunken. Und auch Mobilfunkanbieter versprechen bei Vertragsabschluss jedes Jahr ein neues Endgerät.

Als weitere Gründe für den vorzeitigen Austausch der Gebrauchsgüter werden in der UBA-Studie werkstoffliche, funktionale und ökonomische Obsoleszenz genannt – laut wissenschaftlich anerkannter Definition, wie die psychologische Obsoleszenz, weitere Untergruppen der Geplanten Obsoleszenz. In der Studie wird die geplante Obsoleszenz – abweichend von den selbst zitierten Quellen – nur auf die arglistige Ausprägung reduziert.

Egal, ob aktives Produktmanagement, Arglist oder gewollte Unterlassung, geplante Obsoleszenz kann verschiedene Grade haben und ist für Stefan Schridde ein Faktum. Die UBA-Studie ignoriere jedoch die bisherigen Fachveröffentlichungen zum Thema. Das Problem der Geplanten Obsoleszenz sei so offensichtlich, dass die Politik bereits darauf reagiere. Er verweist auf die EU-Kommission und die deutschen Bundesländer, die Schritte gegen die geplante Obsoleszenz gefordert haben, sowie auf Frankreich, das bereits ein Gesetz dagegen einführte – auch wenn dieses juristisch schwer anzuwenden ist und daher eher einen pädagogischen Wert habe.

Referenzen:

http://www.murks-nein-danke.de/blog/analyse-der-uba-studie-zur-obsoleszenz/http://www.murks-nein-danke.de/blog/maengelliste-der-uba-studie-zu-obsoleszenz/http://www.zeit.de/2016/09/geplante-obsoleszenz-produkt-lebensdauer-quengelzoneChristian Kreiß: Geplanter Verschleiß – Wie die Industrie uns zu immer mehr und immer schnellerem Konsum antreibt – und wie wir uns dagegen wehren können; Europa Verlag, März 2014https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/einfluss-der-nutzungsdauer-von-produkten-auf-ihre-1Der Beweis, dass geplante Obsoleszenz systematisch angewandt wird (BR); https://www.youtube.com/watch?v=ufamBEJJtuYhttp://www.n-tv.de/wirtschaft/Frankreich-verbietet-geplante-Obsoleszenz-article15746266.htmlhttps://de.statista.com/infografik/2278/elektroschrott-aufkommen-in-ausgewaehlten-laendern/

Auf Murks? Nein Danke! melden enttäuschte Kunden Produkte, die kurz nach Ablauf der Gewährleistungszeit so zu Schaden kommen sind, dass der begründete Verdacht auf geplante Obsoleszenz besteht.(Bild: Murks? Nein Danke!)

12 Tipps: So leben elektronische Produkte länger

 | Autor / Redakteur: Dr. Anna-Lena Gutberlet / Dr. Anna-Lena Gutberlet

 

Dass sich die geplante Obsoleszenz nur sehr schwer oder gar nicht nachweisen lässt, ist längst bewiesen. Worauf ist zu achten, damit Produkte länger leben? Die folgenden Tipps sollen dabei helfen.

1. Einfache Geräte kaufen 
Oft werden Produkte mit Funktionen ausgestattet, die für den eigentlichen Zweck nicht erforderlich sind. Solche überflüssigen Features sollen eine Innovation vortäuschen und das Produkt vom Wettbewerb als Alleinstellungs­merkmal abgrenzen. Beim Defekt der Zusatzfunktion (z.B. ein Display bei einem Toaster) kann die Grundfunktion des Geräts auch betroffen sein. Überlegen Sie, welche Funktionen Sie persönlich tatsächlich nutzen wollen.

2. Lieber einmal teuer als mehrfach billig
Kaufen Sie nichts, nur weil es (gerade) billig ist – oder so erscheint. Unrealistisch preiswerte Produkte gehen oft schnell kaputt und landen im Müll und müssen noch einmal gekauft werden.

3. Nicht mit dem Trend gehen
Die psychologische Obsoleszenz oder auch dem „modischen Verschleiß“ kann man umgehen, indem man bewusst „unmodische“ Produkte kauft. Wer stets das Neueste erwirbt wird unzufrieden, sobald es „aus der Mode“ kommt. Mit zeitlosen Klassikern ist man länger zufrieden.

4. Achtsamkeit und Wartung 
Obsoleszenz, also die gebrauchsbedingte normale Abnutzung steckt in jedem Produkt. Der natürliche Verschleiß kann in Grenzen gehalten werden, wenn Sie achtsam und pfleglich mit Ihren Produkten umgehen. Dazu gehört das regelmäßige entkalken von Wasserkocher und Kaffeemaschine oder die Wartung der Waschmaschine.

5. Achten Sie auf die Reparierbarkeit 
Hersteller sollten typische Verschleißteile ihrer Produkte kennen und darüber Auskunft geben können. Fragen Sie ganz konkret, ob es Ersatzteile gibt, wie lange diese verfügbar sein werden und was eine Reparatur kosten wird. Werden (kostenlose) Kostenvoranschläge erstellt? Wie läuft die Reparatur ab? Kann die Reparatur eventuell mit handelsüblichem Standardwerkzeug selbst durchgeführt werden? Und sind Bedienungsanleitungen/Schaltpläne verfügbar, um alle Funktionen ersehen zu können?

6. Reparieren (lassen) statt wegwerfen 
Ist das Smartphone-Display kaputt, heißt das noch lange nicht, dass das Gerät auf dem Müll landen und ein neues Gerät gekauft werden muss. Hilfe zur Selbsthilfe gibt es online oder in sogenannten Repair-Cafés. Ist man handwerklich wirklich nicht begabt, kann auch eine Werkstatt helfen.

7. Folgekosten bedenken 
Geht beispielsweise ein Smartphone oder Tablet kaputt, kann es sein, dass das aktuelle Modell andere Maße oder Anschlüsse besitzt und somit auch das Zubehör ersetzt werden muss.

8. Business-Modelle kaufen 
Viele Geräte gibt es für den privaten als auch den beruflichen Nutzer. Dabei gilt, dass die Profi-Modelle zwar teurer sind, jedoch auf eine längere Haltbarkeit ausgelegt wurden. Das gilt nicht nur für Notebooks, Drucker und andere IT-Geräte auch bei Küchengeräten und Handwerksbedarf lohnt es sich, mehr zu zahlen.

9. Wo wurde das Produkt hergestellt? 
Made in Germany – steht (noch) für Qualität und Langlebigkeit. Trotzdem ist auch hier Vorsicht geboten: Zum einen lassen viele Hersteller baugleiche Modelle an unterschiedlichen Produktionsstandorten mit unterschiedlicher Qualität herstellen. Zum anderen sind scheinbar deutsche Traditionsfirmen heute oft nur Markennamen für Fernost-Produkte. Fragen Sie deshalb gezielt nach dem Land der Herstellung – in Deutschland wird oft ein höheres Qualitätsniveau aufrechterhalten.

10. Ratgeber konsultieren                   Verschiedene Online-Plattformen bieten die Möglichkeit, sich gezielt über unterschiedliche Produkte und die Erfahrung der Verbraucher mit den Produkten zu informieren. Neben Rezensionen von Amazon zählen dazu Verbraucherportale wie ciao.de oder dooyoo.de das HTV-Life-Prüfzeichen sowie die Website Murks? Nein Danke!. 

Auf Murks? Nein Danke! melden enttäuschte Kunden Produkte, die kurz nach Ablauf der Gewährleistungszeit so zu Schaden kommen sind, dass der begründete Verdacht auf geplante Obsoleszenz besteht. Prüfen Sie vor dem Kauf, ob das Produkt dort gemeldet wurde. Das HTV-Life-Prüfzeichen geht noch einen Schritt weiter: HTV prüft einzelne Produkte und listet diese, die nachweislich keine geplante Obsoleszenz beinhalten.

 

11. Pochen Sie auf Ihre Rechte als Verbraucher und fordern sie die Gewährleistung ein 
Im deutschen Gewährleistungsrecht sind umfassende Regelungen gebündelt, die die Verantwortung der Hersteller und des Handels für mangelhafte Produkte und Dienstleistungen regeln. Hilfestellung geben auch die Verbraucherzentralen.

12. Murks melden 
Melden Sie Produkte, bei denen die Lebensdauer künstlich verkürzt erscheint oder Sie geplante Obsoleszenz vermuten. Eine Plattform hierfür ist Murks? Nein Danke!von Stefan Schridde. Gerade auch soziale Medien helfen bei der Verbreitung solcher Informationen. Machen Sie Ihren Unmut Luft, jedoch immer sachlich, faktisch korrekt und am besten auf ein konkretes Beispiel bezogen.

Zu guter Letzt: Machen Sie sich Gedanken darüber, ob Sie den gewünschten Gegenstand wirklich kaufen müssen. Manche Produkte benötigt man so selten, dass es Sinn macht das Produkt zu leihen, zum Beispiel Werkzeug im Baumarkt. Über (Online)-Tauschbörsen lassen sich ungenutzte Dinge gegen gewünschte Produkte tauschen. Dies sorgt für längere Produktnutzungszeiten.